KI-Agenten: Hype oder Revolution?
Der Begriff "KI-Agent" ist derzeit allgegenwärtig, doch was steckt tatsächlich dahinter? Wie die New York Times am 6. September 2024 berichtete, wird generativer KI das Potenzial zugeschrieben, unseren Alltag grundlegend zu verändern. KI-Agenten sollen uns durch Vorschläge und Vereinfachungen produktiver machen. Derzeit können KI-Tools bereits einfache Aufgaben wie das Schreiben von E-Mails, Präsentationen oder Code übernehmen. Tech-Visionäre versprechen uns jedoch ein neues Zeitalter der Effizienz, in dem digitale Assistenten unsere Bedürfnisse antizipieren und erfüllen, noch bevor wir sie formulieren.
Ein zentrales Problem ist der Hype, der der tatsächlichen technologischen Entwicklung vorauseilt. Während KI-Agenten ihr volles Potenzial noch nicht entfaltet haben, richtet sich der Fokus der Tech-Branche bereits auf die nächste Stufe: Agentische KI. Die New York Times beschreibt Agentische KI als eine Form von KI, die im Gegensatz zu Chatbots autonom agieren kann. Chatbots reagieren auf menschliche Eingaben, Agentische KI hingegen kann selbstständig Aktionen ausführen. So könnte ein Nutzer ein komplexes Ziel definieren, beispielsweise die Vorhersage von Wartungsbedarf für Maschinen oder die Buchung einer Reise, und die KI würde die notwendigen Schritte automatisch erledigen.
Doch wie realistisch sind diese Visionen? Ein Artikel von blockworks.co hinterfragt die derzeitige Leistungsfähigkeit von KI-Agenten im Krypto-Bereich. Der Autor argumentiert, dass KI-Agenten im dezentralisierten Finanzwesen (DeFi) noch nicht zuverlässig navigieren können. Projekte wie Frax Finance's IQ AI seien zwar vielversprechend, doch die meisten KI-Agenten im Krypto-Bereich glichen eher dem "Wizard of Oz" – sie verfolgten keine langfristigen Pläne und tätigten keine Geldtransfers, um Ziele zu erreichen.
Stattdessen dominieren KI-Memecoins, virtuelle Chatbots und Infrastrukturprojekte den Markt. blockworks.co kritisiert, dass diese wenig Innovation bieten. Das Label "KI" bei Memecoins sei reines Marketing, und Chatbots wie Luna existierten bereits im Web2. Infrastrukturprojekte seien zwar notwendig, aber der Weg zu wirklich agentischen und autonomen Agenten sei noch weit.
Die derzeit nützlichsten KI-Agenten im Krypto-Bereich, so blockworks.co, sammeln Social-Media-Daten, um Alpha-Feeds zu erstellen, wie beispielsweise aixbt. Der Autor räumt ein, dass diese Einschätzung den eigentlichen Punkt verfehlen könnte: In einem bullischen Krypto-Jahr könnten KI-Agenten trotz mangelnder Substanz den Markt beeinflussen. Ihnen fehle jedoch die Glaubwürdigkeit, um Investoren zu überzeugen. Im Gegensatz zu NFTs im Jahr 2020, die trotz unrealistischer Versprechen die technologischen Voraussetzungen erfüllten, sei die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei KI-Agenten noch zu groß.
Auch Manoj Bhatia differenziert in seinem LinkedIn-Artikel vom 19. Dezember 2024 zwischen "Agent AI" und "Agentic AI". "Agent AI" bezeichnet KI-Systeme, die autonom Aufgaben im Auftrag eines Nutzers oder eines anderen Systems ausführen, wie Chatbots oder Sprachassistenten (Siri, Alexa). "Agentic AI" beschreibt KI-Systeme mit höherer Autonomie und Entscheidungsfähigkeit, die selbstständig Ziele verfolgen und sich an neue Situationen anpassen, beispielsweise selbstfahrende Autos oder KI-gesteuerte Handelssysteme. Bhatia betont, dass "Agent AI" ein Oberbegriff für jede KI ist, die im Auftrag eines Nutzers handelt, während "Agentic AI" die Autonomie und Entscheidungsfähigkeit der KI hervorhebt.
David Jitendranath erläutert "Agentic AI" in seinem LinkedIn-Artikel vom 17. November 2024 anhand eines Alltagsbeispiels: der Erstellung eines Kilometerberichts für Steuerzwecke. Ein agentischer KI-Agent könnte natürlichsprachliche Anweisungen entgegennehmen, die notwendigen Schritte planen, auf benötigte Informationen zugreifen und diese ausführen, um das Ziel zu erreichen. Die Fähigkeit, Mikroentscheidungen zu treffen, unterscheide Agentic AI von einfacher Automatisierung. Jitendranath listet die Merkmale eines agentischen KI-Agenten auf: Verständnis von textbasierten Anweisungen, Planung der Schritte zur Zielerreichung, Zugriff auf benötigte Tools und Ausführung von Aufgabenketten.
Integrail.ai definiert "Agentic AI" als eine neue Art von KI, die über die reine Aufgabenerfüllung hinausgeht. Sie ist autonomer, proaktiver und entscheidungsfähiger, um komplexe Ziele zu erreichen. Agentische KI-Systeme können Ziele setzen, Pläne und Strategien entwickeln, lernen und sich anpassen sowie mit anderen KI-Agenten oder Menschen interagieren. "Non-Agentic AI" hingegen reagiert lediglich auf Eingaben und initiiert keine eigenen Aktionen, wie beispielsweise Bild- und Spracherkennungssoftware oder Empfehlungssysteme. Integrail.ai sieht in agentischer KI großes Potenzial für Bereiche wie autonomes Fahren, Robotik und Gesundheitswesen.
Quellen:
- blockworks.co: https://cryptonews.net/news/analytics/30312592/
- The New York Times: https://www.nytimes.com/2024/09/06/business/artificial-intelligence-agentic.html
- Josh Bersin: https://joshbersin.com/2024/09/agentic-ai-ai-agents-the-new-workforce-were-not-quite-ready-for/
- Heed Consulting: https://heedconsulting.ai/en/blog/agentic-ai-vs.-ai-agents-understanding-the-differences-and-when-to-choose-one-over-the-other
- Manoj Bhatia (LinkedIn): https://www.linkedin.com/pulse/ai-agents-vs-agentic-manoj-bhatia-to0ce
- David Jitendranath (LinkedIn): https://www.linkedin.com/pulse/agentic-ai-autonomous-agents-jargon-explanation-david-jitendranath-wdefc
- Integrail.ai: https://integrail.ai/blog/agentic-ai-vs.-non-agentic-ai