Die EZB wird voraussichtlich am Donnerstag den Leitzins zum letzten Mal in diesem Jahr um 25 Basispunkte senken, obwohl weitere Lockerungen im Jahr 2025 aufgrund von Abwärtsrisiken für die Wirtschaft und die Inflation erwartet werden. Unsicherheiten bezüglich der Politik von US-Präsident Trump und deren Auswirkungen auf den Welthandel spielen dabei eine wichtige Rolle.
Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag ihre voraussichtlich letzte Zinssenkung des Jahres beschließen. Wie CNBC berichtet, erwarten die meisten Analysten eine Senkung des Leitzinses um 25 Basispunkte, anstatt der zuvor diskutierten 50 Basispunkte. Trotzdem sehen Ökonomen wachsende Abwärtsrisiken für die Wirtschaft der Eurozone und die Inflationsentwicklung. CNBC führt weiter aus, dass dies die Zentralbank zu einer schnelleren geldpolitischen Lockerung im Jahr 2025 bewegen könnte. Ein wichtiger Faktor sei die Unsicherheit bezüglich der Politik des wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump und deren Auswirkungen auf den Welthandel.
Die EZB hat ihren Leitzins in diesem Jahr bereits dreimal um jeweils 25 Basispunkte von 4 % auf 3,25 % gesenkt. Nach dem Herbsttreffen schien eine Senkung um 50 Basispunkte im Dezember noch möglich. Gegenüber CNBC betonten mehrere EZB-Ratsmitglieder ihre datenabhängige Haltung und räumten ein, dass eine deutliche Verlangsamung der Inflation und eine sich verschlechternde Konjunkturlage eine größere Zinssenkung rechtfertigen könnten. Die Märkte preisen aktuell jedoch eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine solche „Jumbo“-Senkung ein. Laut Cryptopolitan wurden bis Mittwochmorgen Zinssenkungen im Wert von etwa 29 Basispunkten für Dezember eingepreist. Der Anstieg der Tariflöhne im November dürfte die EZB außerdem zu einem vorsichtigen Vorgehen veranlassen.
Die Inflation stieg im November wieder über das Ziel der EZB und kletterte von 2 % im Oktober auf 2,3 %. Das Wirtschaftswachstum der Eurozone erreichte im dritten Quartal mit 0,4 % den höchsten Wert seit zwei Jahren. Sylvain Broyer, Chefökonom für EMEA bei S&P Global Ratings, erklärte gegenüber CNBC, dass für die EZB derzeit kein Grund zur Eile bestehe, solange die Inflation kurzfristig unter Kontrolle sei. Solange die Lohnkosten jedoch stärker steigen als die Produktivität, sollte die EZB vorsichtig bleiben. Broyer erwartet eine Senkung um 25 Basispunkte im Dezember, gefolgt von weiteren Zinsschritten in „schnellem Tempo“, um eine neutrale Geldpolitik zu erreichen, die weder restriktiv noch stimulierend wirkt.
Mehrere Prognosen gehen davon aus, dass die EZB bis September 2025 auf jeder ihrer sechs Sitzungen die Zinsen um 25 Basispunkte senken und den Einlagensatz damit von 3 % auf 1,5 % reduzieren wird. Auch Analysten der Danske Bank erwarten laut einer Mitteilung vom Dienstag eine solche Entwicklung. Sie rechnen mit einer „günstigen Marktreaktion“, selbst wenn EZB-Präsidentin Christine Lagarde ihre Kommunikation in eine dovishere Richtung verschiebt. Auch die Bank of America Global Research hat ihre Prognose aktualisiert und erwartet nun einen Einlagensatz von 1,5 % bis September 2025. Die Analysten der Bank of America argumentieren, dass es für die EZB angesichts des schwachen Wirtschaftswachstums schwierig sein werde, Sitzungen auszusetzen, bis der Einlagensatz unter das von der EZB geschätzte neutrale Niveau von 2 % fällt.
Das geopolitische Umfeld ist ein wichtiger Grund für diese zurückhaltenderen Aussichten für 2025. Wie ING Research berichtet, steht die EZB vor einem Jahr der „harten Arbeit“, um das schwindende Wachstum in der Eurozone zu stützen. Die politische Instabilität in Deutschland und Frankreich lässt die Anleiherenditen in diesen Schlüsselregionen steigen. Unter Trump dürften die USA den Kapitalfluss in wichtige Sektoren durch Steuersenkungen, Deregulierung und die Anziehung von Investitionen aus Europa kannibalisieren, was der Wirtschaft der Eurozone laut ING Research möglicherweise mehr schaden könnte als Zölle. Makroökonomische Prognosen, einschließlich der von ING Research, weisen jedoch allgemein auf eine hohe Unsicherheit darüber hin, welche Politik Trump tatsächlich umsetzen wird.
Wie die EZB in einer Pressemitteilung vom Juni 2024 bekannt gab, wurde der Leitzins bereits um 25 Basispunkte gesenkt, um der nachlassenden Inflation und dem sich abschwächenden Preisdruck Rechnung zu tragen. Die EZB bekräftigte ihr Ziel, die Inflation mittelfristig wieder auf 2 % zu senken.
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